Meinung zum MZ-Artikel vom 19.10.2020 „Hier wird deutsch gesungen- der CDU-Politiker Sepp Müller will fremdsprachige Musik per Gesetz zurückdrängen“

Höchst erstaunt war ich, dass sich jetzt auch CDU-Politiker unseres Bundeslandes mit einer Reglementierung der Musik in unseren Radioprogrammen befassen möchten. Da fällt mir ein, dass die AfD in Sachsen-Anhalt ähnliche Ambitionen hat und sich für mehr deutsche Stücke an den Bühnen des Landes eingesetzt haben.

Zu DDR-Zeiten war es Walter Ulbricht, der meinte: „Es muss Schluss sein mit dem Je-je-je!“

In unserem Land ist die Kunstfreiheit ein Grundrecht, das dem Schutz künstlerischer Ausdrucksformen dient und in Art. 5 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) verankert ist. Dort zählt es zu den am stärksten geschützten Grundrechten des deutschen Grundrechte-Katalogs. Das Bundesverfassungsgericht zählt die Kunstfreiheit zu den Kommunikationsgrundrechten und erachtet sie daher als wesentlichen Grundbaustein der demokratischen Grundordnung.

Dieses Grundrecht einzuschränken würde einen Eingriff in die Demokratie bedeuten.

Über Geschmack lässt sich ja bekanntlich streiten. Dazu gibt es ja auch unterschiedliche Sender, wo man seine Lieblingsmusik auswählen kann. Für Verordnungen, welche vorschreiben, was für Musik aufgeführt wird, habe ich gar kein Verständnis. Zu DDR-Zeiten musste die Kunst dem sozialistischen Realismus entsprechen. In Diskotheken durfte auch nur ein gewisser Prozentsatz englischsprachiger Musik gespielt werden. 60% aller Titel mussten in deutscher Sprache sein. Allerdings hielten sich die wenigsten Diskotheken an diese Vorgaben.

Als Begründung für seine Forderung führt Sepp Müller u.a. auch die Corona-Pandemie an, die den einheimischen Musikern momentan die Auftritte erschwert und Einnahmen quasi unmöglich machen. Dieses Beispiel hinkt deutlich, denn es gibt auch zahlreiche deutsche Musikgruppen, die englische Titel aufführen. Warum soll man die Künstler deshalb ungleich behandeln?

Schlager und Volksmusik scheinen tatsächlich in der Bevölkerung sehr verbreitet zu sein. Das wird auch Herrn Müller nicht entgangen sein. Aus diesem Grund halte ich diese Äußerung auch für eine vorgezogene Wahlkampfstrategie, die mit solchen populistischen Forderungen Wählerstimmen einfangen möchte.

Aufhorchen lässt auch ein Presseartikel der Süddeutsche Zeitung vom 10.10.2020: „Mit einem Zusammenschluss von bisher rund 60 Institutionen wollen Akademien in Europa gemeinsam für die “Freiheit der Kunst” kämpfen. “Wir erleben derzeit in einigen Ländern Europas eine Kulturpolitik, die Kunst und Kultur nur national begreift und zunehmend reglementiert”, heißt es in einem am Samstag in Berlin veröffentlichten Manifest.“

Demzufolge ist es nicht nur ein deutsches Problem, sondern in vielen europäischen Ländern wird das Nationale wieder stärker hervorgehoben.

Ein Bündnis zur „Europäische Allianz der Akademien“ kann ich deshalb auch nur unterstützen.

Der Erhalt der kulturellen Vielfalt ist und bleibt wichtig und dieses Grundrecht lassen wir uns nicht streitig machen!

Beitrag: Christine Walther