Am 23. Mai 2023 wurde in Deutschland der Gründung der SPD vor 160 Jahren gedacht. Ein Grund, um auch einen Blick auf unsere Stadt zu werfen, wie sich hier die Gründung dieser Partei vollzog.
In der Mitte des 19. Jh. war die soziale Situation in Anhalt von großen Herausforderungen geprägt. Das Land befand sich in einem tiefgreifenden sozialen Wandel, da die Industrialisierung voranschritt. Die Mehrheit der Bevölkerung lebte in ländlichen Regionen und war von der Landwirtschaft abhängig, jedoch gewann die Industrie zunehmend an Bedeutung.
Die Arbeitnehmer, insbesondere die Fabrikarbeiter, litten unter prekären Arbeitsbedingungen. Lange Arbeitszeiten, niedrige Löhne, fehlender Arbeitsschutz und mangelhafte Wohnverhältnisse waren weit verbreitet. Die Arbeiter hatten kaum Mitbestimmungsrechte und waren von ihren Arbeitgebern abhängig. Kinderarbeit war ebenfalls eine traurige Realität.
Die sozialen Unterschiede waren stark ausgeprägt. Eine kleine wohlhabende Oberschicht profitierte von der wirtschaftlichen Entwicklung, während die breite Bevölkerungsmehrheit in Armut lebte. Die soziale Absicherung war minimal, und es gab kaum staatliche Unterstützungssysteme.
Die politische Partizipation war stark eingeschränkt. Das allgemeine Wahlrecht existierte nicht, und die politische Macht lag in den Händen des Adels und der konservativen Eliten. Die sozialistische Bewegung begann sich zu formieren, um die Rechte der Arbeitnehmer zu vertreten und soziale Veränderungen herbeizuführen.
Insgesamt war die soziale Situation geprägt von großer Ungleichheit, prekären Arbeitsbedingungen und begrenzten politischen Mitspracherechten. Diese Umstände bildeten die Basis für den Aufstieg der Arbeiterbewegung und die spätere Gründung der SPD.
Am 23. Mai 1863 wurde der Allgemeine Deutschen Arbeiterverein (ADAV) in Leipzig gegründet. Zu den prominenten Gründungsmitgliedern gehörten Ferdinand Lassalle.
1875 wurde in Gotha aus zwei Arbeitervereinen die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SAP) gebildet die seit 1890 den Namen Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) trägt.
Die Gründung erfolgte somit durch einen Zusammenschluss verschiedener sozialistischer und sozialdemokratischer Organisationen. Das eigentliche Gründungsdatum fällt somit auf 1863, den Tag als sich der Allgemeine Deutschen Arbeiterverein (ADAV) formte. Mitbegründer waren Wilhelm Liebknecht und August Bebel. Lassalle spielte eine bedeutende Rolle bei der Organisierung der Arbeiterbewegung, während Liebknecht und Bebel maßgeblich den ADAV leiteten und später die SPD mitformten. Die Gründung der SPD markierte einen Meilenstein in der Entwicklung der sozialistischen Bewegung in Deutschland und legte den Grundstein für eine Partei, die sich für die Interessen der Arbeitnehmer einsetzte und in der deutschen Politikgeschichte eine bedeutende Rolle spielte.
In Dessau bildete sich 1848 der erste Arbeiterverein mit dem Präsidenten Friedrich Polling. Nach ihm ist heute der gleichnamige Park in Dessau benannt.
1854 wurden bereits alle gegründeten Arbeitervereine durch den Reichstag verboten. Im Jahr 1867 gründete sich jedoch erneut ein Arbeiterverein mit 150 Mitgliedern, wiederum unter der Führung von Polling.
Am 30. März 1890 formte sich der „Allgemeine Arbeiterverein für Dessau und Umgebung“ im „Hofjäger“. Dies war eine Gaststätte in der Elisabethstraße 12 und gehörte zur Brauerei “Zum Feldschlößchen”.
Am 26.1.1893 wurde im Volksblatt Anhalt die „Gründung eines Wahlvereins für Dessau und Umgebung“ bekannt gegeben. Dieser Tag wird als Gründungstag der Dessauer Sozialdemokratie gesehen, da von nun an eine Sozialdemokratische Partei gelistet ist. Dies ist nun 130 Jahre her.
Es gab weiterhin viele Schikanen und ein Koalitionsverbot für politische Vereine, so dass die Sozialdemokraten nicht untereinander in Verbindung treten konnten. Erst 1898 ist dieses Verbot in Anhalt aufgehoben worden. Am 17.6.1900 wurde „eine feste Landesorganisation der Anhaltischen Sozialdemokratie“ gegründet.
Im selben Jahr erlaubte das Oberlandesgericht, dass Frauen und Minderjährige an politischen Versammlungen teilnehmen durften. Dies wurde aber trotzdem noch lange danach von der Regierung unterbunden.
1902 wurden die ersten sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten gewählt: Heinrich Peus aus Dessau und ein Herr Voigt aus Sandersleben.
Am 29.10.1905 gründete sich in Bernburg im Anschluss an einer Landeskonferenz der “Sozialdemokratische Verein für den Wahlkreis Dessau-Zerbst“ und ebenso für Bernburg, Köthen und Ballenstedt. Von diesem Zeitpunkt an stieg der Mitgliederbestand der Sozialdemokraten in Anhalt rasant.
Bereits 1910 war die Struktur der SPD soweit gefestigt, dass sie für 245.000 Mark das Großlokal “Tivoli” erwerben konnten, was seit dem als “Volkshaus” betrieben wurden. 1933 wurde es wie andere “Volkshäuser” vom NS-Staat enteignet. Das Gebäude wurde im Krieg zerstört.
Ab 1918 gelingt es der SPD mit Heinrich Peus den Präsidenten des Anhaltischen Landtags zu stellen. Seitdem ist die SPD in allen politischen Parlamenten vertreten, bis auf die Jahre in denen sie als Partei verboten war. Dies war in den Jahren 1878 – 1890 (Kaiserzeit), 1933-1945 (Zeit des Nationalsozialismus) und von 1946 bis 1990 auf dem Territorium der ehemaligen DDR.
Am 23. Mai 2023 traf sich die örtliche SPD im Schwabehaus und feierte den 160. Geburtstag.
Danke für die Vorbereitungen, insbesondere an Angelika Lübke, Thomas Walther und Daniel Kutsche! Sie haben den Abend organisatorisch und atmosphärisch prächtig in Szene gesetzt.
Egal ob wir auf unser Land schauen oder ob wir in die Welt blicken, die politische Arbeit reißt nicht ab. Es gibt genug zu tun! Schauen wir in die Zukunft und auf weitere 160 Jahre Arbeit!
Text: Robert Hartmann