Es waren noch ca. 11 Monate bis zur Bundestagswahl. Da gäbe es normalerweise gar keinen Grund in hektischen Aktionismus zu verfallen. Aus Sicht der CDU/CSU schon gar nicht, wenn man die Umfragewerte betrachtet. Nur die FDP hatte schon lange und immer wieder in der Koalition für Zwist gesorgt. Wie wir heute wissen, hat Herr Lindner den Ausstieg aus der Ampel-Koalition schon mindestens seit September 2024 geplant und bewusst einen Bruch herbeigeführt. Möglicher Grund: Profilierungszwang wegen schlechter Umfragewerte.
Nach dem Rauswurf von Lindner zogen die FDP-Minister nach. Danach ging das große Gezerre um einen möglichen Termin zur Vertrauensfrage des Bundeskanzlers los.
Den beiden Herren Merz und Söder ging es gar nicht schnell genug, am besten sofort. Sie wollen Neuwahlen… Dass die Wahlämter Vorbereitungszeit benötigen und auch die Parteien alle erforderlichen Voraussetzungen für die Bundestagswahl erfüllen müssen, schien keine Rolle zu spielen. Es wurde sehr viel Druck ausgeübt auf Olaf Scholz und die SPD.
Als Bürger erwartet man, dass die Politiker ihre Arbeit machen und sich nicht nur bekämpfen. Wir brauchen jetzt eine große handlungsfähige Koalition der Demokraten. Wir brauchen eine große Antwort für die Wirtschaft und die europäische Verteidigungsfähigkeit, und zwar jetzt. Das will aber die CDU/CSU aus wahlkampftaktischen Gründen nicht. Zumindest konnte man dies aus den Medien so entnehmen. Das Deutschlandticket und die Verwaltungsreform wollten sie aber noch mit auf den Weg bringen.
Wir brauchen jetzt eine große, handlungsfähige Koalition der Demokraten! |
Ich halte dieses Verhalten der CDU für unverantwortlich und sogar für schädlich für die Bevölkerung und die Wirtschaft. Ein halbes Jahr Stillstand können wir uns nicht leisten. Ich erwarte, dass die noch verbleibende Zeit im Bundestag dazu genutzt wird, die vorbereiteten, ausverhandelten und überwiegend bereits in die Form von Gesetzentwürfen gebrachten Vorhaben sofort und einer klaren, kommunizierten Prioritätenliste folgend, von der (Minderheits-) Regierung in das Parlament zur Beratung und Beschlussfassung einzubringen. Es müssen sich jetzt alle Demokraten zusammenraufen und versuchen, neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu finden, weil ansonsten die Populisten alles zerstören!
Es muss verhindert werden, dass die Kräfte gewinnen, die auf Spaltung aus sind und die keine Gemeinsamkeiten finden wollen. Andernfalls tragen wir unsere Demokratie zu Grabe. Dann verödet die Politik und die Schreihälse gewinnen und wir wissen, was dann passiert. Dann zerfällt unser Gemeinwesen und jeder wird sich selbst am nächsten sein und die Schwachen geraten unter die Räder.
Wir müssen wieder lernen, gemeinsame Lösungen finden zu wollen und Kompromisse auszuhandeln.
Bundesregierungen werden auch in Zukunft aus Koalitionen bestehen, aus Menschen aus unterschiedlichen Teilen Deutschlands mit eigenen Biographien, mit unterschiedlichen Ideen und Vorstellungen. Ohne Kompromissbereitschaft wird es nicht gehen. Aber auch nicht ohne gesunden Streit.
Können wir noch Demokratie, d.h. sich streiten und diskutieren, Kompromisse finden und sich einigen?
Wer weiß, ob der Zeitpunkt für Abstimmungen im Bundestag nach der Wahl noch mal so günstig wird, wie die jetzige Konstellation. Wenn es die CDU ernst meint gibt sie ihre Blockadehaltung auf.
Text: Christine Walther