Dieses geschichtliche Ereignis möchte ich gern zum Anlass nehmen ein kleines Resümee zu ziehen. Es gab ja auch zahlreiche Presse-Artikel und Fernsehfilme, die viele Dinge wieder in Erinnerung brachten, die man schon vergessen hatte.
Niemand konnte es so richtig glauben, dass die Mauer am 9.11.1989 geöffnet wurde, obwohl bereits seit dem Sommer in der DDR die politischen Ereignisse brodelten: Grenzöffnung Ungarn, Besetzung der Botschaften in Polen und Tschechien. Die ganz Mutigen bildeten politische Gruppierungen, versammelten sich in Kirchen und wehrten sich gegen die Umweltverschmutzung und die politischen Missstände.
Als sich die Grenzen öffneten, konnte man sofort bemerken, was eigentlich die große Mehrzahl der Ostdeutschen wollte. Auf keinen Fall neue politische Sozialismus-Experimente und möglichst bald die DM. Zu groß war die Angst, dass alles wieder rückgängig gemacht wird. Die Bürgerrechtler hatte keine Change mit ihren Forderungen nach einer Reform der Staates bzw. um für eine neue Qualität des Gesellschaftssystems zu kämpfen. Das hatte, wie wir heute feststellen müssen, seinen Preis. Die ostdeutsche Wirtschaft wurde durch die Treuhandanstalt größtenteils “abgewickelt”.
Viele Menschen mussten Arbeitslosigkeit in Kauf nehmen oder in die alten Bundesländer zum Arbeiten umsiedeln oder pendeln. Alte Eigentumsverhältnisse wurden zurückgefordert, was für die Betreffenden eine schmerzliche Erfahrung war. Es gab dann im Osten viele Beschäftigungsverhältnisse, die schlecht bezahlt wurden wie z.B. Reinigungs- und Sicherheitsfirmen. Wer keine Arbeit bekam, musste von Hartz IV leben, was gerade mal ein Minimum am tatsächlichen Finanzbedarf ausmachte und u.a. Kinderarmut erzeugte.
Da die Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie die Entlohnung immer noch in Ost und West unterschiedlich sind, hat ein großer Teil der Jugend seine Heimat verlassen. Die älteren Menschen sind zurückgeblieben und natürlich auch die Menschen, die mit ihrer Heimat fest verbunden waren. Trotzdem geht es jetzt vielen Menschen materiell besser. Das waren vor allem Menschen, die schnell wieder eine gute Arbeit finden konnten oder ihren bestehenden Arbeitsplatz behalten konnten. Allerdings haben nach der Wende zahlreiche Bürger aus den alten Bundesländern leitende Stellen im Osten erhalten und verdrängten so die Ostdeutschen. Das alles ist Letzteren noch gut in Erinnerung. Die Angst vor dem sozialen Abstieg ist auf jeden Fall bei vielen noch immer vorhanden und das Vertrauen in die Politik ist verloren gegangen.
Heute stehen wir da und fragen uns warum Wut, Frust und Hass in der Gesellschaft zunehmen und die AfD erstarkt. Leider werden meines Erachtens die Ursachen zu wenig ergründet und es wird immer noch zu wenig getan, um diese Entwicklung aufzuhalten.
Es gibt auch noch viele weitere Handlungsfelder. Nach wie vor ist die Politik nicht bereit, die Akten über die Treuhandgesellschaft zu veröffentlichen. Jetzt wird wieder darüber nachgedacht für führende Posten in Ost-Unternehmen eine Ossi-Quote einzuführen. Der Gestaltungsspielraum der Kommunen ist durch die finanziellen Mittel eingeschränkt. Die Bürger müssen sich mit dem Notwendigsten zufriedengeben. Geld für Kulturprojekt oder soziale Anliegen fehlt. Nach wie vor gibt es einen Lehrermangel, teilweise marode Schulen. Immer noch müssen Jugendklubs oder Kultureinrichtungen in den Kommunen schließen. Aktuell sind möglicherweise auch Krankenhäuser von solchen Plänen betroffen. Das ganze Dilemma der Nachwirkung politischer Fehlentscheidungen der Nachwendezeit wird in Petra Köppings Buch “Integriert doch erst mal uns” anschaulich dargestellt. Ich kann es nur empfehlen.